Weniger Reibung, mehr Effizienz

Steinbeis-Prüfsystem unterstützt bei der Optimierung der Energieeffizienz

Das vom Bund geförderte Projekt PROMETHEUS hat die Reibungsreduzierung von tribologischen Kontakten in Motoren zum Ziel. Das Team des Steinbeis-Innovationszentrums Werkstoff- und Oberflächentechnologie in Friedrichshafen hat diese Herausforderung angenommen und ein innovatives Prüfsystem auf Basis eines Realhubtribometers entwickelt. Von den Ergebnissen profitieren namhafte Hersteller und Zulieferer aus der Automobilindustrie bei der Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Produkte und Systeme.

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Durch die Klimaschutzziele der Politik sollen die Treibhausgas-Emissionen langfristig um 80 bis 95 % gesenkt werden. Bedingt durch die große Beteiligung von Kraft- und Nutzfahrzeugen einerseits am Emissions- und andererseits am Wirtschaftsaufkommen, bieten diese einen großen Hebel für die Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen. Da bis zu einer flächendeckenden Umstellung der Mobilität auf Elektrofahrzeuge noch eine gewisse Zeit vergehen wird, sollten die bestehenden Systeme zu erhöhter Energieeffizienz weiterentwickelt werden. Dabei sind aufgrund der konstruktiven Gegebenheiten der Verbrennungsmotor, das Getriebe und die Lager von besonders hohem ökologischem und wirtschaftlichem Interesse. Im Speziellen können durch eine Reibungsoptimierung in der Kolbengruppe der direkte Verbrauch, thermische Verluste und der Verschleiß reduziert werden.

PROMETHEUS-Ziel: Reibung reduzieren

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt zur Reibungs-Optimierung von Motoren durch den Einsatz von triboaktiven Hochleistungskohlenstoff- sowie Eisenbasisschichten und Schmierstoffen (kurz: PROMETHEUS) hat diese Herausforderungen im Blick. Das Projektkonsortium bündelt das umfassende Know-how von OEM, Zulieferern und beteiligten Instituten für einen ganzheitlichen Lösungsansatz.

Das übergeordnete Projektziel von PROMETHEUS ist die Reibungsreduzierung von tribologischen Kontakten insbesondere am System Kolbenring/Zylinderlaufbahn. Durch eine signifikante Reibungsoptimierung soll eine Reduktion von CO2-­Emissionen und Energiekosten erreicht werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf verschleißminimierenden Beschichtungen, die in längeren Lebensdauern resultieren und mit einer maximalen ganzheitlichen Energieeffizienz einhergehen.

Innovatives Prüfsystem: Realhubtribometer

Das am Projekt beteiligte Steinbeis-Team aus Friedrichshafen trägt durch die Entwicklung eines innovativen Prüfsystems zur Erreichung der Ziele von PROMETHEUS bei. Dabei wird das Realhubtribometer zusammen mit neuartigen Bewertungsansätzen für die tribologische Charakterisierung auf Prüfkörperebene verwendet. Es hat sich gezeigt, dass klassische Prüfverfahren mit kurzhubigen oszillierenden oder rotierenden Tribometern nur einen bedingten Einblick in das System gewähren. Für eine ganzheitliche Betrachtung von tribologischen Systemen in Verbrennungsmotoren ist eine grundlegende Weiterentwicklung der Prüfsysteme für Untersuchungen auf Prüfkörperebene notwendig. Die maßgeblichen Kenngrößen werden unter anderem durch den Brennraumdruck, die Kolbengeschwindigkeit, die Eigenschaften des Schmierstoffes sowie die Zustände und Morphologie der Oberflächen bestimmt. Aus dem zeitabhängigen Verhalten des Drucks im Brennraum und der Kolbengeschwindigkeit resultiert ein transientes tribologisches Verhalten zwischen Kolbengruppe und Laufbahn. Bei der Auswahl von optimierten tribologischen Systemen ist zu berücksichtigen, dass sich diese insbesondere in Bezug auf den Verschleiß nicht negativ auf andere Systemkomponenten auswirken dürfen. Daher werden ausgewählte optimierte Tribosysteme auf Reibungs- und Verschleißmechanismen betrachtet.

Das Antriebssystem des Tribometers basiert auf einem konventionellen Kurbelwellentrieb eines Serienmotors mit 73 mm Hub. Das Antriebssystem wird mit einem Elektromotor betrieben, ein Kupplungssystem dient zur Reduzierung von Drehschwingungen. Die Zylinderköpfe werden abgenommen und am Kurbeltrieb ein Linearlagersystem in horizontaler Richtung angebracht, der Schmierkreislauf des Kurbeltriebes bleibt dabei erhalten. Die Normalkraft im Messsystem wird mit zwei Kraftaufnehmern gemessen. Die Position des Kolbenrings im Verhältnis zur Zylinderlaufbuchse wird mit einem auf der Kurbelwelle installierten induktiven Drehzahlsensor ermittelt. Ein piezoelektrischer Sensor wird zur Messung der Reibungskraft verwendet. Zusätzlich wird ein piezoelektrischer Beschleunigungssensor positioniert, um die Trägheitskräfte zu detektieren. Zur Schmierung verfügt der Prüfaufbau über eine getrennte und beheizte Ölversorgungseinheit mit einer auf den unteren Totpunkt der Zylinderlaufbuchse gerichteten Düseneinheit. Eine homogene Schmierung wird durch eine Zweistoffdüse erreicht. Die präzise Einstellung des Schmierstoffflusses ermöglicht eine Dosierung von 10 ml/min bis zu einer minimalen Rate von 1 µl/min. Der Schmierstoff und die komprimierte Luft werden beheizt, um Temperaturabfälle zu vermeiden. Das Heizsystem wird über Thermoelemente kontrolliert und regelt die Temperaturen des gesamten Systems bis zu einer Temperatur von 130 °C.

Potenziale des Steinbeis-Prüfsystems

Das innovative Tribometer bietet die Möglichkeit, Serienbauteile wie Kolbenringe, Zylinderlaufbuchsen und Motorenöle auf Komponentenebene zu charakterisieren. Die Kombination aus oszillierender Bewegungskinematik eines Kurbeltriebs und langem Hub ermöglicht die Betrachtung energetisch relevanter Betriebspunkte des tribologischen Systems Kolbengruppe. Im Rahmen des PROMETHEUS-Projekts wird damit das Reibwert- und Verschleißpotenzial insbesondere von neuentwickelten Beschichtungen der Kolbenringe untersucht, beispielhafte Ergebnisse sind im Diagramm dargestellt. Die Konstruktion des Prüfstandes ermöglicht eine Darstellung der Reibwertergebnisse in Abhängigkeit des Kurbelwinkels. Dadurch lassen sich einzelnen Funktionsbereichen der Komponenten unterschiedliche Reibwerte zuordnen. So haben beispielsweise die oberen und unteren Totpunkte erhöhte Reibwerte verglichen mit den Bereichen maximaler Kolbengeschwindigkeit. Die Ergebnisse aus dem modellbasierten Tribometer dienen unter anderem als Vorauswahl für die kosten- und energieintensiven Einzylinder- und Vollmotorversuche. Weiterhin werden im Zusammenspiel mit der simulativen Abbildung der verschiedenen Abstraktionsebenen (Tribometer/Einzylinderversuch/Vollmotorversuch) die Korrelationen zur Übertragbarkeit untersucht. Die Übertragbarkeit könnte sich für zukünftige Optimierungen von tribologischen Systemen als Vorteil erweisen. Grundsätzlich ist auch die Prüfung von anderen tribologischen Systemen, in denen schnelle oszillierende Bewegungen auftreten, denkbar.

Als Endanwender profitieren dabei unter anderem die BMW Group, die MAN Truck & Bus AG und die Rolls-Royce Power Systems AG. Möglich wird dies durch die enge Kooperation der Komponenten- und Systemlieferanten Fuchs Schmierstoffe GmbH, Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Tenneco GmbH und des Anlagenherstellers VTD Vakuumtechnik Dresden GmbH. Das Team um die Steinbeis-Experten Prof. Dr. Reinhold Holbein und Benjamin Kröger agiert zusammen mit der AVL Deutschland GmbH, dem Fraunhofer IWS, dem Fraunhofer IWM, dem Fraunhofer LBF und der TU Dresden als Forschungs- und Entwicklungspartner und vereint Kompetenzen in den tribologischen Grundlagen, der Schichtentwicklung, der Kom­ponentenprüfung und der Simulation.

Kontakt

Benjamin Kröger (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Werkstoff- und Oberflächentechnologie (Friedrichshafen)
www.stz-werkstoffe.de

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